Im März war es wieder einmal soweit. Auf der Baselworld 2017 wurden die neusten Trends der Uhrenindustrie vorgestellt. Dabei wurde vor allem eines deutlich: Auch Luxusuhren müssen sich der Digitalisierung öffnen. Zwischen Smart Watch und traditioneller Uhrmacherkunst gibt es viele technische, wie auch ideologische Differenzen. Doch es gibt auch Chancen – sowohl für High-Tech-Konzerne wie auch für die Schweizer Traditionsunternehmen.
Uhrentradition und Zukunftstechnik auf der Baselworld 2017 vertreten
Die Baselworld, die jedes Jahr in der Schweiz abgehalten wird, ist die größte Uhrenmesse der Welt. Vor allen Dingen Uhren aus dem Luxussegment sind hier reichlich zu finden, ebenso wie die Uhrentrends der Zukunft natürlich.
Und dieser Trend realisiert das, was sich bereits vor zwei Jahren abzeichnete: Auch die traditionellen Uhrenmacher werden den Weg der Digitalisierung beschreiten müssen. Auf der Baselworld 2015 sorgte die Ankündigung, dass der Schweizer Uhrenmacher TAG Heuer fortan mit Intel und Google zusammenarbeiten würde, um eine neuartige Smart Watch zu entwickeln, für einiges Aufsehen.
Nun, zwei Jahre später, zeigt sich endlich, was entstehen kann, wenn Traditionsunternehmen und High-Tech-Konzerne zusammenfinden: die TAG Heuer Connected Modular 45. Die Luxus-Smart-Watch existiert laut Aussagen des Schweizer Uhrenherstellers in über 4.000 unterschiedlichen Varianten und lässt sich vom Träger auf Wunsch aufgrund einer modularen Bauweise ganz einfach umfunktioneren, kann sowohl als elektrische Armbanduhr wie auch als mechanischer Chronometer getragen werden.Doch nicht nur in Sachen Technik dürfen Uhrenliebhaber sich frei entscheiden. Es gibt verschiedenfarbige Uhrenaufsätze, die dann auch noch aus unterschiedlichen Materialien gefertigt sind, von Gold bis zu Titan.
Entscheidet man sich für die elektrische Variante, so lässt sich im Inneren der Prozessor Intel Atom Z34XX finden. Als Betriebssystem hält die Plattform Android Wear 2.0 her, sodass Verkehrs- und Wegbeschreibungen, Terminkalender und alle wichtigen Lieblings-Apps nie weit weg sind.
Revolution oder kurzfristiger Trend?
Immer mehr Uhrenanbieter erweitern ihr Sortiment aktuell mit funktionellen High-Tech-Uhren, den sogenannten Smart Watches, natürlich auch, um den Anschluss an die digitale Zukunft nicht zu verlieren.
Im Spannungfeld zwischen intelligentem High-Tech-Accessoire und traditionsbeladener Handwerkskunst gibt es indes auch zahlreiche Herausforderungen, mit denen die Uhrenindustrie zu kämpfen hat. Aber wo genau liegen die Hürden, wo die Chancen der Digitalisierung für die Uhrenindustrie?
Noch müssen sich aber zumindest die großen Uhrenhersteller keine allzu großen Sorgen machen, dass sie von der High-Tech-Konzernen in naher Zukunft vom Uhrenmarkt verdrängt werden. Mit einem Umsatz von circa neun Milliarden Euro im Jahr ist Swatch beispielsweise noch immer mit Abstand der größte und finanzstärkste Uhrenhersteller der Welt.
Wenn es einen Boom im Markt für Smartwatches gibt, wird die Swatch-Gruppe davon profitieren.
–Nick Hayek, Chef der Swatch-Gruppe
Und solange die Uhr eben nicht nur ein funktionelles Armband, sondern auch Statussymbol ist, wird der klassische Uhrenmarkt sich gewiss behaupten können. Und so fühlen sich einige bereits an die Zeit erinnert, als Mitte der achtziger Jahre an fast jeder Ecke eine laut piepsende Casio-Uhr zu hören war. Auch damals wurde der Uhrmacherkunst das Ende vorausgesagt, es kam jedoch ganz anders. Erst mit der Jahrtausendwende erlebte die alte Uhrmacherkunst ihre ganz persönliche Renaissance.
Darüber hinaus bieten klassische mechanische Uhren natürlich noch ganz andere Vorteile, beispielsweise die Langlebigkeit. Wer eine Uhr für 3.000 Dollar erwirbt, erhalte „ein Stück Ewigkeit“, meint Jean-Claude Biver, Chef der Uhrensparte beim Unternehmen LVMH. Der Apple Watch hingegen gehen nach spätestens 18 Stunden buchstäblich die Lichter aus.
Zudem: Kaum vorstellbar, dass eine Smart Watch vererbt wird. Während manch einer an seinem Arm noch ein Stück der Familienvergangenheit trägt, Uhren, die Jahrzehnte alt sind und von Generation zu Generation weitergegeben wurden, überholt die Entwicklung von Smart Watches sich fast selbst. Kaum ein Jahr vergeht, da das neueste Modell nicht schon wieder veraltet ist.
Moderne Armbanduhr und Smart Watch im Vergleich
Die Hoffnung liegt in China
Insbesondere für die Schweizer Uhrenindustrie ist es aber gar nicht zuvörderts wichtig, sich in einen reißenden Konkurrenzkampf mit den US-amerikanischen High-Tech-Konzernen rund um Apple zu begeben. Vielmehr liegt der Fokus auf den Ländern in Fernost.
Bislang waren es nämlich vor allem chinesische Touristen in der Schweiz, die dem Glitzer und Gold in den Uhrengeschäften nur selten widerstehen konnten und sich beim Besuch gleich mit Dutzenden kostspieliger Luxusuhren eindeckten. Seitdem die Reiselust aufgrund der Terrorgefahr aber besonders bei den Chinesen gesunken ist und auch die Zollkontrollen erheblich verstärkt wurden, ist es mit der chinesischen Kaufkraft am Uhrenmarkt nicht mehr so gut bestellt – zum Leidwesen der Schweizer Uhrenproduzenten.
Zudem sinkt auch der Uhrenexport immer weiter. Dies machte sich bereits 2016 stark bemerkbar. Insbesondere in Hongkong, dem wichtigsten Uhrenexportland für die Schweizer, wurden überraschend wenige Uhren abgesetzt. Darunter leiden letztendlich dann gar die Großen: Zwar veröffentlichen die meisten Schweizer Uhrenhersteller keine Zahlen, bei der börsennotierten Swatch-Gruppe stand 2016 jedoch ein Nettogewinn-Verlust von circa 50 Prozent zu Buche.
Auch deswegen wird zunehmend ein Auge auf den Markt der Smart Watches geworfen: „Je schlechter die Stimmung im Markt, umso kreativer und innovativer muss man sein“, lässt Biver verlauten und rechtfertigt auf diese Weise geschickt die Lancierung der Connected Modular 45 von TAG Heuer, während die unter rückläufigen Zahlen leidenden Konkurrenten das Vorpreschen des Luxusgüter-Unternehmens auf den Smart-Watch-Markt weiterhin mit Verachtung strafen.
150.000 Stück der neuen Luxus-Smart-Watch sollen insgesamt verkauft werden. Dabei soll der Verkauf über das Internet nicht mehr ausschließlich den Dritten überlassen werden. So hat Omega erst vor kurzem seine „Speedmaster“ – die Uhr, die Neil Amstrong auf dem Mond trug – direkt über das Web veräußert – ein Novum. „Wir werden das sicherlich noch öfter machen“, kommentiert Omega-Chef Raynald Aeschlimann das Vorgehen. Schritt für Schritt nähert sich de traditionelle Uhrenindustrie also auf jeden Fall der Digitalisierung an – ob sie es will oder nicht.
Kommentar hinterlassen