Roaming-Ratgeber: Vorteile und Kostenfallen im EU-Mobilfunkmarkt

Mann hält Smartphone mit Schriftzug Roaming Free Zone
Bild: EU-Roaming wird für Verbraucher güntiger und bringt sogar weitere Vorteile. Bildquelle: © Tomasz Zajda / Fotolia

Seit gestern ist es amtlich. Verbraucher müssen sich im EU-Ausland endlich keine Sorgen mehr um Roaming-Gebühren machen. Denn seit dem 15. Juni ist die „EU-Roaming-Verordnung“ in Kraft getreten. Für Verbraucher bedeutet dies vor allem eines: Kosten sparen. Doch es gibt darüber hinaus weitere Vorteile – und auch Kostenfallen.

Roaming? – Was ist das?

Wer bislang im europäischen Ausland auf sein Smartphone nicht verzichten und weitehrin mobil ins Internet gehen, Urlaubsbilder auf Facebook hochladen oder die Oma zu Hause mit einer Urlaubs-SMS überraschen wollte, der wurde dafür ordentlich zur Kasse gebeten. Denn der günstige Mobilfunktarif endete grundsätzlich mit dem Übertritt auf nicht-deutsches Staatsgebiet. Dies galt natürlich nicht nur für nationale Handytarife aus Deutschland, sondern ebenso für internationale Tarife im Ausland.

Doch das hat sich seit gestern geändert. Mit dem Inkrafttreten der EU-Roaming-Verordnung heißt es nun „Roam like at home„, wie die Europäische Union die Änderung der bisherigen Tarifregelung etwas gewollt bewirbt. Und trotzdem: In der Praxis versteckt sich hinter diesem Slogan ein großer Vorteil für den zahlenden Mobilfunknutzer.

Achtung, die neue Gebührenregelung gilt nur für SMS, Datenvolumen und eingehende Telefonate! Wer von zu Hause ins europäische Ausland telefoniert, muss weiterhin mit Kostenaufschlägen rechnen.

Wer fortan in Ländern der EU sowie in Norwegen, Island und Liechtenstein auf das nationale Mobilfunknetz zugreift, der surft, simst und telefoniert zu den gleichen Konditionen wie im heimischen Netz. Fortan gehören böse Urlaubsüberraschungen also der Vergangenheit an, falls während des Trips einmal zu oft auf das mobile Datennetzwerk zugegriffen wurde. Nichtsdestotrotz weist die neue Roaming-Verordnung auch einige kleine Tücken auf.

Roaming-Verordnung gefährdet europäischen Wettbewerb

Für den Verbraucher bringt die neue EU-Verordnung ohne Frage Vorteile. Aber wie sieht es für die Unternehmen aus? Auf dem Papier lässt sich zwar ein gänzlich geöffneter europäischer Mobilfunkmarkt ablesen, in der Praxis werden die Mobilfunkprovider aber natürlich alles unternehmen, um sich nicht auch noch über die Landesgrenzen hinweg Konkurrenz zu machen.

Die günstigsten Mobilfunkverträge lassen sich aktuell in Estland oder Finnland finden. Was beispielsweise das Datenvolumen anbelangt, nimmt Dänemark den Spitzenplatz ein. Für gute 15 Euro können die Dänen derzeit unbegrenzt Highspeed-Internet nutzen.

Zum Vergleich: In Deutschland muss bereits für 6 Gigabyte Highspeed-Internet im Schnitt über 26 Euro gezahlt werden. Damit zählen die deutschen Mobilfunkanbieter im europäischen Ländervergleich ebenso wie beim Durchschnittspreis für Mobilfunkverträge zu den teuersten Anbietern im gesamten EU-Binnenraum.Statistik Datentarife in EuropaZu leiden haben unter den einheitlichen Roaming-Preisen nun vor allem die kleinen Provider. Kritiker der EU-Roaming-Verordnung befürchten, dass der Wettbewerb darunter leiden könnte.

Denn für den Verbraucher ist Roaming nun kostenlos. Für den Mobilfunkprovider allerdings nicht. Wer als deutscher Mobilfunkkunde im europäischen Ausland surft und telefoniert, muss nun zwar keine Extrakosten befürchten, die Netzbetreiber rechnen den Dienst aber unter sich ab. Im Extremfall muss der deutsche Mobilfunkanbieter bis zu 7,70 Euro für jedes mobil verbrauchte Gigabyte an den ausländischen Netzbetreiber zahlen. Für eine Telefonminute werden maximal 3,2 Cent fällig.

Die EU-Roaming-Verordnung gilt für die größten Teile Europas, allerdings nicht für die Schweiz, da die EU mit der Schweiz keine individuelle Vereinbarung getroffen hat. Nichtsdestotrotz ist es möglich, auch in der Schweiz von der neuen EU-Roaming-Verordnung profitieren zu können, denn auch in unserem Nachbarstaat sind Provider ansässig, deren Angebote zur Europäischen Union zählen, wie es beispielsweise bei der Telekom der Fall ist.

Dasselbe gilt für die Länder Andorra, San Marino und Monaco sowie die Isle of Man. Auch für diese Nationen gilt die EU-Verordnung eigentlich nicht. De facto finden sich aber auch hier einige Provider, welche die neuen EU-Roaming-Tarife anbieten. Am besten überprüft Ihr nach der Einreise umgehend die Gebühreninformationen, die in der Regel wenige Minuten nach der Einreise in einer SMS an Euch übermittelt werden.

Während große Mobilfunkkonzerne sich länderübergreifend nun große Preisnachlässe gewähren, um ihre Roaming-Kosten zu begrenzen, haben die kleinen Unternehmen das Nachsehen. Die EU kündigte zwar an, dass sich betroffene Mobilfunkunternehmen Zuschläge auszahlen lassen können, ob dies allerdings zur Deckelung aller Kosten genügen wird, bleibt abzuwarten.

Hinzu kommt, dass auch das Reiseverhalten in den einzelnen Ländern zu berücksichtigen ist. Deutsche gelten weiterhin als Europas Reiseweltmeister. Auf deutsche Provider kommen demnach höhere Kosten zu als auf ausländische Mobilfunkanbieter, deren Kunden weniger im Ausland unterwegs sind.

Gerade in den beliebten Tourismus-Ländern in Europa dürften sich die Provider freuen. Je nachdem also, was der Kunde beim heimischen Provider für Datenvolumen und Telefonie zahlt und was der Provider mit dem ausländischen Netzbetreiber für einen Preis vereinbart hat, könnten schon bald – je nach Perspektive – horrende Kosten oder auch Gewinne auf Provider zukommen.

Großhandelspreise sollen sukzessive gesenkt werden

Um den wirtschaftlichen Ruin kleiner Mobilfunkanbieter zu verhindern, sollen die Handelspreise, die zwischen den Netzbetreibern verrechnet werden, zukünftig sukzessive gesenkt werden. Bis 2020 sollen dann maximal 2,50 Euro pro Gigabyte untereinander gezahlt werden. Da es bis dahin aber noch ein weiter Weg ist, wollen viele Provider nun versuchen, das Roaming-Verhalten ihrer Kunden möglichst weitgehend einzuschränken. Wie dies bewerkstelligt werden soll, ist indes noch nicht klar.

So sollen die Großhandelspreise in den kommenden Jahren gesenkt werden Denn natürlich bietet das Preisgefälle vielen Mobilfunknutzern einen Anreiz zum Missbrauch. Wer beispielsweise im heimischen Netz zu viel zahlen muss, der könnte sich ganz einfach eine ausländische SIM-Karte besorgen und fortan von den niedrigen Roaming-Gebühren profitieren. Auch deswegen hat die EU sehr konkret geregelt, welche Rechte Mobilfunkprovider besitzen, um den länderübergreifenden Wettbewerb zu unterbinden und Missbrauch vorzubeugen, welche Gebühren bei überdurchschnittlicher Nutzung erhoben werden dürfen usw.

Hierunter fällt zum Beispiel die Viermonatsfrist. Nach einem Zeitraum von gut 120 Tagen können Mobilfunkanbieter ihren Kunden erstmals Missbrauch vorwerfen. Sobald dies geschehen ist, haben Verbraucher die Möglichkeit, binnen zwei Wochen zu einem regulären Nutzungsverhalten zurückzukehren. Wer dies nicht macht, muss am Ende doch ein Nutzungsentgelt für Roaming zahlen.

Bislang reichte es für deutsche Mobilfunkkunden übrigens aus, die SIM-Karte alle 90 Tage kurzzeitig im heimischen Netz zu aktivieren. Danach konnte munter weiter auf den Roaming-Service im Ausland zugegriffen werden. Da deutsche Roaming-Tarife aber vergleichsweise teuer sind, wird dies wahrscheinlich niemand getan haben. Der Mobilfunkanbieter O2 hat unterdessen bereits festgelegt, welches Entgelt Nutzer im Fall der Fälle zahlen müssen, wenn bei ihnen Missbrauch festgestellt wird: 9,16 Euro fallen pro Gigabyte an. Das ist derzeit exakt der Brutto-Großhandelspreis.

Discount-Mobilfunkanbieter stehen vor Problem

Für die vielen Discount-Mobilfunkanbieter bedeutet die neue Roaming-Verordnung übrigens ausschließlich ein Mehr an Kosten. Discounter kaufen Kontingente nämlich bei den großen Netzbetreibern ein. Sobald ihre Kunden sich im Ausland in mobile Netz einwählen, müssen sie, wie erläutert, die Kosten selbst tragen und den ausländischen Netzbetreiber bezahlen. Auf der anderen Seite erhalten die kleinen Mobilfunkanbieter keine Einnahmen, da hierzulande die Entgelte ausschließlich an die drei Netzbetreiber Telekom, Vodafone und Telefónica Germany fließen.

Nicht auszuschließen ist demnach, dass es zukünftig zu einem erheblichen Kostenanstieg bei Discount-Mobilfunktarifen kommt. Denn auf irgendeine Weise müssen die Mobilfunkanbieter natürlich ihre Mehrkosten wieder einholen. Denkbar ist auch, dass internationale Kooperationen zwischen den großen Netzbetreibern initiiert werden, die sich dann gegenseitig nur wenig oder gar nichts berechnen. Davon würden schlussendlich dann auch die kleinen Anbieter profitieren.

Was passiert nach dem Brexit?
Da Großbritannien kurz davor steht, die EU zu verlassen, ist es fraglich, ob auch auf der europäischen Halbinsel in Zukunft noch kostenlos auf das mobile Internet zugegriffen werden kann. Stand jetzt: Seit dem 15. Juni ist es auch in Großbritannien kostenfrei möglich, den Roaming-Service zu nutzen.

Allerdings ist es möglich, dass sich dies nach dem endgültigen Austritt aus der Europäischen Union ändert. Bei den derzeitigen Verhandlungen wird wahrscheinlich auch über Roaming gesprochen. Es ist gut möglich, dass die EU und Großbritannien bezüglich des Roaming-Services einen gesonderten Vertrag aushandeln.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, Roaming komplett zu vermeiden. Der Anbieter Drillisch beispielsweise hat seit jüngster Zeit „nationale Tarife“ im Angebot. Bei diesen Mobilfunkverträgen wird Roaming von vornherein ausgeschlossen. Dies heißt, dass weder im europäischen Binnenmarkt noch außerhalb auf das mobile Internet zugegriffen werden kann. Kunden, die wissen, dass sie Roaming nicht benötigen, können durch günstigere Tarife profitieren. Und der Mobilfunkanbieter muss keine Kosten fürchten und fällt nicht unter die neue Roaming-Verordnung der EU. Diese gilt nämlich ausschließlich für Mobilfunkverträge, die Roaming anbieten.

Provider, die ihr Netz gleich in mehreren Ländern anbieten, greifen zu einem ganz anderen Trick. Sobald ein Kunde sich in ein anderes, also nicht das nationale Mobilfunknetz einwählt, können die Netzbetreiber über die SIM-Karte steuern, welches Netz der Verbraucher nutzen soll. Logisch, dass hier das eigene Netz bevorzugt wird, denn dann fließen die Roaming-Kosten sozusagen von der linken in die rechte Tasche.

Für den Konsumenten entsteht hier ein ganz anderes Problem. Denn nicht immer ist dieses Mobilfunknetz auch das beste bzw. schnellste. Auch deswegen ist es ratsam, auf eine manuelle Netzwahl umzustellen. Dies ist problemlos über die Einstellungen des Telefons möglich, von Smartphone zu Smartphone aber durchaus unterschiedlich. Und so ist im Regelfall das Vorgehen:

  • Einstellungen des Smartphones öffnen.
  • „Drahtlos & Netzwerke“ auswählen und auf erweiterte Einstellungen klicken
  • Nun kann entweder ein Punkt namens „Mobilfunknetze“ oder „Mobilfunkanbieter“ ausgewählt werden
  • Jetzt sollte eine Liste verschiedener verfügbarer Mobilfunknetze aufgelsitet werden, aus denen manuell gewählt werden kann

Übrigens existieren derzeit noch immer viele Mobilfunkverträge, die Kunden andere als die von der EU regulierten Preise offerieren. Dies gilt auch für Roaming-Services. Wer solch einen Vertrag besitzt, muss sich allerdings keine Sorgen machen, dass er nun trotzdem für Roaming zahlen muss. Denn laut Statement der Netzbetreiber soll eine Umstellung auf die neuen EU-Regelungen automatisch erfolgen. Ob dies allerdings wirklich geschieht, werden die nächsten Wochen zeigen.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


*